Mit dem Hilfsprojekt „Gib einem Kind deine Hand“ hat Angelika Hoffmann auf Haiti schon so einiges erreicht. Ein Ende ihrer Arbeit ist noch nicht in Sicht, daher freut sie sich über jede Spende. Anlässlich einer kürzlich stattgefundenen Scheckübergabe (siehe Hintergrund) setzte sich das GrenzEcho mit der gebürtigen Bornerin in Verbindung.
Angelika Hoffmann, was hat sich in den vergangenen Monaten bezüglich Ihres Hilfsprojektes verändert? Gab es Positives? Mit welchen eventuellen Rückschlägen haben Sie zu kämpfen?
2016 war ein intensives Jahr und es geht intensiv weiter... aber positiv. Vor allem die DBTec in Fort-Liberté, wo ich selbst wohne und tätig bin, hat sich merklich entwickelt. Wir versuchen, Lösungen zu finden, um die Bedingungen der Schüler zu verbessern sowie die Qualität des Unterrichts zu steigern. Die schulische Unterstützung bleibt unser Leitfaden, da sie sich hauptsächlich der Erziehung und Ausbildung widmet.
Wie kann man sich diese gezielte Unterrichtsarbeit vorstellen?
Mithilfe der Vereinigung Via Don Bosco und der VoG Farnières- Haiti wird die Qualitätsverbesserung des Lernprozesses und der Integration der Jugendlichen im sozialen und beruflichen Leben angestrebt. Dieses Programm begleite ich seit 2016. Konkreter Fall: In der DBTec von Fort-Liberté lebt die technische Landwirtschaftsschule auf. Acht Studenten konnten Ende des Schuljahres 2016 hier ein Praktikum machen. Diese Studenten hatten zudem die Möglichkeit, sich in verschiedenen Bereichen, sei es Pflanzen, Tiere oder Naturressourcen, weiterzubilden. Sie haben dieses Praktikum als einen wesentlichen Pluspunkt in ihrer Ausbildung geschätzt .
Wie sieht dieser praktische Unterricht konkret aus?
Dank des Baus einer Umgrenzungsmauer rund um das Zentrum konnten Bananen, Gewürze, Maniok, Tomaten, Möhren und Ähnliches gesät oder gepflanzt werden. Mehre Ochsen wurden gekauft sowie ein Hühnerstall eingerichtet. Seitdem werden monatlich bis zu 500 Hühner großgezogen und dann an die Marktfrauen verkauft. Somit hat die Landwirtschaftsschule ihre Ausrichtung verändert. Lehrer und Schüler nehmen an verschiedenen Schulungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten teil. Im CDAM (Centre des Arts et Métiers) in Les Cayes beispielsweise wurden die Kochkurse überarbeitet und aktualisiert. Die Ausbildung der Lehrer wurde vorangetrieben und eine neue Küche eingerichtet. Das neue Programm entspricht besser dem Arbeitsmarkt und trägt direkt zur besseren Integration der Jugendlichen, insbesondere der Mädchen bei.
Wie viele Kinder werden derzeit unterstützt?
Zur Zeit werden 187 Kinder von 140 Patinnen und Paten aktiv unterstützt. Das ist auch wichtig, denn die Situation in Haiti bleibt für die Familien sehr schwer. Die Lebenshaltungskosten sind weiterhin sehr hoch, die Arbeitslosigkeit und die wirtschaftliche Situation im ganzen Land stehen dem Schulbesuch der Kinder oft im Wege. Es ist keine Seltenheit, im zweiten Primarschuljahr Kinder von 14 Jahren oder mehr anzutreffen, die die Schule zuvor mangels finanzieller Ressourcen vorzeitig abbrechen mussten. Dies führt aufgrund des Altersunterschieds zu Verschiebungen beim Zusammenleben der Schüler einer selben Klasse.
Gibt es denn Verbesserungen seit dem Erdbeben im Jahre 2010?
Nein, die Lage auf Haiti hat sich nicht wesentlich verbessert. Seit dem Erdbeben von 2010 erholt sich die Wirtschaft geringfügig. Aufgrund fortdauernder politischer Instabilität, aber auch einer anhaltenden Dürre in den letzten zwei Jahren bleibt das Wirtschaftswachstum hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Die Nationalwährung „Gourde“ sinkt weiter im Wert und die Preise sind seit einem Jahr um das Dreifache gestiegen. Studienplätze sind Mangelware, ein großer Teil der Universitäten sind in privater Hand und kosten Geld, das von der überwiegend armen Bevölkerung nicht aufgebracht werden kann. Für den Stand der Wissenschaft und Lehre im Land noch dramatischer ist die Tatsache, dass weiterhin viele gutausgebildete junge Menschen das Land verlassen, um eine bessere Zukunft zu suchen.
Also „Hilfe zur Selbsthilfe“ ist weiterhin das Credo?
Das Konzept „Hilfe zur Selbsthilfe“ wird schon gut aufgenommen, jedoch ist es oft schwierig, es in die Tat umzusetzen, aus Mangel an finanziellen oder materiellen Dingen, Einfluss von Umweltkatastrophen, Mangel an Arbeitsplätzen. Dennoch profitieren mehrere Kinder und Jugendliche davon, indirekt auch die Eltern, Lehrpersonen Ich bin davon überzeugt, dass eine gute Ausbildung in Theorie und Praxis wichtig ist um sich später selbst zu helfen. Derzeit helfen wir über 1.000 Kindern und Jugendlichen, die dann für eine bessere Zukunft vor Ort kämpfen werden.
Wie viele Mitarbeiter arbeiten zusammen mit Ihnen an diesem Projekt?
Albert Desenfants und Karl- Heinz Bodarvé sind meine direkten Mitarbeiter im deutschsprachigen Gebiet. Die anderen Mitglieder der VoG Jacqueline Boulanger, Pierre- Dominique Ruyssen, Marie- Paule Laurent, Veronique Jamaer, Bernadette Ruyssen und Hélène Bourgeois, arbeiten auch eng mit mir zusammen. In Haiti in Fort-Liberté arbeite ich mit vier Salesianern von Don Bosco zusammen. Indirekt arbeitet aber jeder mit mir, der mich unterstützt, sei es durch Spenden, Worte oder sonstige Gesten.
Was kann zur Krankenpflegeschule“ berichtet werden?
Die Krankenpflegeschule (ESI) ist die meistbesuchte Schule. Die Schüler kommen aus dem ganzen Land, sogar aus dem Süden. Sie hat den Ruf, eine wahre Referenz im Nord-Osten zu sein. Sie ist vor allem für ihre Disziplin bekannt. Im Oktober 2016 haben wir mit 216 Schülern begonnen, die auf die vier Studienjahre verteilt waren. Anfang des Jahres hatten wir große Schwierigkeiten Praktikumstellen zu finden, da die öffentlichen Krankenhäuser, darunter auch die in Fort-Liberté und Ouanaminthe, während vieler Monate bestreikt wurden. Dies hatte zur Folge, dass verschiedene Praktika nicht rechtzeitig zu Ende geführt werden konnten und dass die Schüler des 4. Jahres ihr Praktikum nach Ablauf des Schuljahrs fortsetzen mussten. Ende 2016 wurden zwei neue Praktikumstellen gefunden, eine in Quartier Morin (nahe Cap-Haïtien) und eine in Trou du Nord. Diese Orte sind zwar sehr teuer (2.000 US-Doller/ Monat), aber der Mühe wert. Im neuen Programm des Ministeriums wird ein Laborkursus in Biologie, Chemie und Mikrobiologie verlangt. Dank des Ankaufes von 10 Mikroskopen aus Spenden haben wir das Labor für Mikrobiologie 2016 auf den Weg bringen können. In Erwartung eines richtigen Labors werden die Kurse in einer normalen Klasse abgehalten. Das Labor wird speziell für die Krankenpflegerschule errichtet. Es wird von 75 Studenten des ersten und von 45 Studenten des zweiten Semesters besucht. Das Labor wird jedoch auch den Schülern der Mittelschule zur Verfügung stehen. Die Erfolge sind sichtbar: Im Dezember 2017 gibt es bereits die neunte Abschlussklasse mit insgesamt 55 Studierenden.
Wie sieht es mit staatlichen Zuwendungen aus?
Es gibt keine staatliche Unterstützung obschon in der DBTec alle Schulen (Krankenpflegeschule, Landwirtschaftsschule, Lehrerschule, Berufsschule) staatlich anerkannt sind. Materiell, infrastrukturell und finanziell sind wir auf uns alleine gestellt. Die verschiedenen Programme sind sehr anspruchsvoll, jedoch müssen wir uns selbst darum kümmern, diese in die Tat umzusetzen.
Spürt man auf Haiti auch die grassierende Unsicherheit wegen der Flüchtlingskrise aus Nahost?
Beispielsweise am Spendenaufkommen? Nein, das spüren wir hier nicht. Die Menschen, die meine bzw. unsere Arbeit schätzen, unterstützen mich auch weiterhin. Und das ist auch wichtig, denn wir haben noch viele Ziele hier vor Ort.
Welche Wünsche und Ziele hat Angelika Hoffmann?
Mein größter Wunsch ist ein Bus oder Minibus für die Krankenpflegerschule, damit wir die Studierenden zum Praktikum fahren können. Seit April muss ich das Praktikum leider absagen, da der große Bus defekt ist. Des Weiteren wünsche ich mir persönlich weiterhin Gesundheit und eine Menge Kraft.
Interview des GrenzEchos mit Gerd Hennen